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Framing, Teil 2: Die Kommunikationsstrategie aus praktischer Sicht

Ist es schon 12 Uhr oder erst 12 Uhr? Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Nun, das kommt ganz darauf an, welchen Bildausschnitt Sie wählen. Das ganze Bild, der eigentliche Sachverhalt, ist jeweils dasselbe – dargestellt aus zwei entgegengesetzten Blickwinkeln. Verschieben, verengen oder erweitern wir den Rahmen, ändert sich das Bild – und damit unter Umständen unser Weltbild. So wirkt Framing, deutsch: Einrahmen. Der Frame beschreibt metaphorisch die Begrenztheit unserer Wahrnehmung und unseres Denkens, die mittels Perspektivwechsel, Themen- und Wortwahl beeinflusst werden können. Wie das in der Praxis geschieht, erörtern wir in diesem Artikel.


Framing, Teil 2: Die Kommunikationsstrategie aus praktischer Sicht

Framing in der Praxis

In unserem Beitrag «Framing, Teil 1: Wie Sprache unsere Wahrnehmung und Entscheidungen beeinflusst» beleuchten wir das Framing von seiner wissenschaftlichen Seite. Neben einigen Unterschieden, die aus den Ansätzen der Kommunikations-, Sprach- oder Sozialwissenschaften beispielsweise hervorgehen, sind ebenso Gemeinsamkeiten erkennbar: Beim Framing geht es um Selektionsmechanismen, eine bestimmte Strukturierung, Gewichtung und Perspektivierung. «Geframet» wird

  • über die Auswahl (Selektion) von Themen und Informationen,
  • durch die Hervorhebung oder Einschränkung bestimmter Aspekte oder Details,
  • mittels inhaltlicher und/oder emotionaler Verknüpfung einer Aussage mit anderen Themen,
  • durch die Art der Formulierung und die Verwendung bestimmter Begriffe/Schlüsselwörter oder
  • mithilfe von Suggestivfragen.

Durch die genannten (sprachlichen) Mittel kann also die Aussage einer Botschaft verändert und so die Interpretation dieser gesteuert werden. Werden dieselben Frames dauerhaft gesetzt, dann – so argumentieren etwa Sprachwissenschaftler wie Elisabeth Wehling – manifestiert sich ein bestimmtes Bild, das längerfristig Einfluss darauf nehmen kann, wie Realität wahrgenommen wird. In welchen Feldern dieser Framing-Effekt genutzt wird, schauen wir uns nun exemplarisch an.

Beispiele für angewandtes Framing

Jeder Mensch hat eine subjektive Sicht, aus der heraus er kommuniziert und Aussagen «färbt». So gesehen, findet Framing täglich auch im Privaten statt, ohne dass dabei immer eine bestimmte Absicht verfolgt wird und wir diesen Vorgang – als übliches Kommunikationsverhalten – nicht überbewerten wollen. Interessant für unsere Fragestellung ist Framing überall dort, wo Sachverhalte nach gesellschaftlichen, politischen, kulturellen oder moralischen Kategorien eingeordnet werden. Im öffentlichen Diskurs wird es häufig praktiziert, um die eigene Position zu einem Thema zu verdeutlichen. So zielt man etwa darauf ab, dass ein breites Publikum die gewollte Sichtweise akzeptiert und sie weiterträgt, sodass diese sich verfestigt.

 

Berichterstattung: Das Filtern und Aufbereiten von Informationen, die entscheidend zur Bewertung von Ereignissen und Sachverhalten beitragen, gehört zur täglichen Arbeit von Presse und Funk. Um Assoziationen zu wecken, komplexe Inhalte zu verdichten oder Appelle zu setzen, arbeiten sie unter anderem mit Analogien und metaphorischem Framing. Dass die Dringlichkeit des Klimawandels beispielsweise von Öffentlichkeit und Politik laut einiger Medien oder sich medial äussernder Aktivisten oft verkannt oder gar geleugnet werde, läge etwa daran, dass «Wandel» ein zu schwacher Ausdruck für eine so desaströse Entwicklung sei. Folglich wird die Wortwahl angepasst und es ist zunehmend von der bedrohlicher wirkenden «Klimakatastrophe» oder «Klimakrise» zu lesen. Die «Krise» ersetzt als abschwächender Begriff wiederum andere Ausdrücke bezüglich der Flüchtlingsthematik, in der vor allem um 2015 meistens von «Flüchtlingsströmen» oder «-wellen» die Rede war. «Strom» und «Welle» aber aktivieren den Frame Naturgewalt, der einerseits Ängste vor Überflutung und Gefahren schürt und andererseits die Flüchtenden entmenschlicht. Hier entschied man sich offenbar dafür, die Begriffe auszutauschen, wohl nicht zuletzt, um Akzeptanz und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung sicherzustellen.

 

Politik: Auch in politischen Kampagnen und Diskussionen greift man mitunter (bewusst oder unbewusst) auf Framing zurück, um die eigenen Positionen und Vorhaben zu stärken. Geht es zum Beispiel um eine Anpassung von Sozialleistungen, spricht das eine Lager von «Bedürftigen», während das andere bildhaft die bequemen Nutzniesser in der «sozialen Hängematte» beklagt. Heikle militärische Massnahmen werden gerechtfertigt als «Verteidigungseinsatz» oder «Friedensmission». Und diese finden umso mehr Akzeptanz, je gefährlicher der Gegner ist. Der Präsident eines Landes wird so zum stark negativ konnotierten «Machthaber» eines «Regimes». «Rebellen», «Terroristen» und «Freiheitskämpfer» können alle die gleiche Gruppe meinen – je nachdem, welche Seite zu Wort kommt.

 

Gesundheitswesen: Zwei Framing-Ansätze treten vor allem in Bezug auf die Gesundheitsvorsorge auf. Über Loss-Frames (Verlustrahmen) wird hauptsächlich bei bestehenden Krankheiten oder Risiken vermittelt, was ein Patient verliert, wenn er sich auf eine bestimmte Weise verhält. Hinweise auf die schädlichen Folgen von Übergewicht, Rauchen oder ungeschütztem Sex etwa richten sich an die (Verlust-)Ängste der Menschen. Mehr Effizienz und Erfolg für Präventionsmassnahmen verspricht man sich von Botschaften, die in Gain-Frames (Gewinnrahmen) eingebettet sind. Hierbei werden die positiven Folgen einer Verhaltensänderung betont: «Wer mehr Sport macht, gewinnt an Lebensqualität.» «Mit einer Impfung/dem Medikament XYZ kann der Erkrankung vorgebeugt werden.»

Textoptimierung mithilfe des Framings

Dass Framing funktioniert und durchaus Vorteile für die eigene Sache bringt, haben Medienproduzenten längst erkannt. Das können auch Sie sich zunutze machen. Lassen Sie den Framing-Effekt in Ihren Texten für sich arbeiten, um Ihre Botschaft so zu vermitteln, wie Sie sie verstanden wissen wollen.

Sprache – auch eine sachliche Information – erzeugt Bilder im Kopf. Bestimmte Schlüsselwörter, Wendungen und selbst vermeintlich unscheinbare Nebensätze lösen bestimmte Reaktionen aus. Im besten Falle ist das die Zustimmung Ihrer Kunden, Mandanten, Patienten oder Leser. Hierfür kommt es allerdings auf die Verpackung an. Um das Ja Ihrer Zielgruppe zu erhalten, sollten Sie möglichst verständlich und positiv formulieren.

Und so geht’s: Denken Sie nicht an Schokolade! Woran denken Sie? An Schokolade. Unser eigentlicher Tipp lautet deshalb: Vermeiden Sie die Wörter «nicht» und «kein». Statt «den Kauf dieser Schuhe werden Sie nicht bereuen» schreiben Sie lieber «diese Schuhe werden Sie begeistern». Andernfalls bliebe nur das Bereuen oder mindestens die Möglichkeit des Bereuens im Gedächtnis hängen. Sprechen Sie statt von «nicht zögern» besser von «Chance nutzen». Formulieren Sie positiv «die Salbe wirkt zu 80 %» anstelle von «die Salbe wirkt zu 20 % nicht». Selbst wenn «nicht» und «kein» vor Signalwörtern wie «Gefahr», «Risiko», «Bedenken» oder «Verpflichtung» stehen, um diese abzuschwächen bzw. zu negieren, zeigt das aktivierte Kopfkino trotzdem die Filme «Gefahr», «Risiko» etc. Auch diese Begriffe sollten Sie umgehen und negative Bilder in positive umwandeln. Aber: Unser Gehirn ist lernfähig. Zwar sind «Kosten» oder «Unfall» beispielsweise negativ besetzte Ausdrücke und als schlecht abgespeichert. «Kostenlos» und «unfallfrei» weiss es dennoch positiv einzuordnen.

Fazit: Ist Framing manipulativ?

Ja, durchaus. Die Vermittlung (und Interpretation) von Informationen ist selten rein objektiv oder unabhängig von persönlichen Blickwinkeln und eigenen Interessen. Und gerade in der journalistischen Berichterstattung, in der politischen und gesellschaftlichen Kommunikation zeigt sich deutlich, welche Verantwortung damit einhergeht, Themen nicht zu einseitig darzustellen. Zu manipulieren im Sinne von «etwas in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen», muss jedoch nicht zwangsläufig mit schlechten Absichten verbunden sein. Sie können Framing zu Ihrem Vorteil, müssen es aber nicht gleichzeitig zum Nachteil für Andere anwenden. Nutzen Sie es als Möglichkeit, Ihre Leser von Ihren Ideen zu begeistern!

 

Brauchen Sie Hilfe beim Schreiben oder Korrigieren eines Textes? Gern sind wir für Sie da – mit Erfahrung und dem Blick fürs Detail, damit Ihre Message positiv bei Ihren Lesern ankommt. Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an info@jollywords.com und erzählen Sie uns von Ihrem Projekt!

 

Autorin: Maria Schuhmacher


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